Vorerst Schluss mit Gaucho und Lizetan

Nikotin ist eines der stärksten Insektengifte die die Wissenschaft kennt. Die Tabakpflanzen nutzen es, damit sie nicht von Käfern und anderen Insekten gefressen werden. Reines Nikotin wurde früher vor allem gegen Blattläuse eingesetzt, einfach in warmem Wasser eine Zigarette auflösen, die Brühe mit der Sprühflasche auf die Rosen – das hilft auch heute noch sofort. Dabei wirkt das Nikotin des Tabaks besonders auf das vegetative Nervensystem, ähnlich wie die Substanzen von Schierling oder Goldregen. Insekten, die damit in Berührung kommen, sterben schnell, meistens unter auffälligen Muskelzuckungen.
Beim Menschen bedeutet „wirkt auf das vegetative Nervensystem„: Atmet man den Tabakrauch ein, steigt die Pulsfrequenz , Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen steigen ebenfalls, allerdings nur kurzfristig.  Eine einfache medizinische Anwendung auf das Nervensystem des Darms ist folgende: Eine Zigarette zum Frühstück, und danach beschleunigter Gang zur Toilette. Tabakrauch macht abhängig, nimmt man einem Raucher die Kippen weg, regieren viele mit Aggressivität oder Depressionen. Das Nikotin bewirkt die  Ausschüttung unterschiedlicher Neurotransmitter, das sind die Stoffe die in Nervenzellen und im Gehirn die Kommunikaton steuern. Niemand vergisst seinen ersten Zug an der Zigarette: Die Wirkung tritt schon nach ein paar Sekunden ein, leichter Schwindel, und das typische stimulierende Gefühl, Nikotin bzw. Tabakrauch macht ähnlich stark psychisch abhängig wie Kokain, beide gehören in eine Stoffklasse, die bekannt ist für starke Wirkung  auf das Nervensystem: Alkaloide.
In höheren Dosierungen ist Nikotin auch für Menschen tödlich, und so gibt das Gift sogar Stoff für die Kriminalgeschichte her: Der erste mit Nikotin durchgeführte Mord wird dem Belgier Hippolyte Visart de Bocarmé zugeschrieben, der bereits im Jahre 1850 seinen Schwager mit dem Pflanzengift um die Ecke brachte, aus Geldgier. Und der  deswegen – ganz klassisch durch die Guillotine – hingerichtet wurde.
Aber zurück zum sogenannten Pflanzenschutz: Die Chemiker der Agrarindustrie gaben sich mit dem schnellen Abbau des Giftstoffes natürlich nicht zufrieden, nach dem Nikotin kam das E605 als Ersatz,  und im Jahr 1985 entwickelte Bayer in Leverkusen das Imidacloprid: ein systemisches Insektizid, das als Kontakt- wie auch Fraßgift wirken kann. 1991 entwicklte die Firma Ciba-Geigy (heute Syngenta) das Thiamethoxam, das 1998 auf den Markt gebracht wurde. Wie bei anderen Spritzmitteln auch, wird bei der Herstellung im Prinzip ein bekannter Wirkstoff mit ein paar Tricks optimiert. Meist werden Brom- oder Chloratome an die Moleküle gehängt und so deren Abbau verzögert und die Giftwirkung verstärkt und verlängert.

Bisher frei verkäuflich: Im
Killerstäbchen, ab sofort ohne Zulassung: Thiamethoxam und Imidacloprid gab´s bisher frei verkäuflich im Gartenmarkt. Damit ist vorerst Schluss!

Neonikotinoide wie Imidacloprid und Thiamethoxam sind heute weltweit massenhaft im Einsatz, die Wikipedia meldet zu Imidacloprid (Stand Dezember 2013):
„Der jährliche Absatz in Deutschland liegt im Bereich von 25–100 t, über 1.000 t werden exportiert. Der erzielte Umsatz liegt bei etwa 500–600 Millionen Euro, Handelsnamen für das Insektizid sind Admire, Confidor, Connect, Evidence, Gaucho, Leverage, Lizetan, Muralla, Provado und Trimax.“
Was 1000 Tonnen Insektizide mit Naturschutz im Kreis Mettmann zu tun haben? Imidacloprid ist das erfolgreichste Produkt von Bayer CropScience, die Firma zahlt im schönen Monheim am Rhein hoffentlich Gewerbesteuer. In Zukunft wahrscheinlich etwas weniger, denn seit dem 1. Dezember 2013 hat die EU-Kommission mit einer Durchführungsverordnung mehrere wichtige Verwendungen, wie die Saatgutbeizung von Mais und Raps, stark eingeschränkt. Die Verordnung gilt zunächst zwei Jahre, aber immerhin. Schade um die Steuern, aber gut für die Umwelt!
Nach jahrelangem Streit um die Nachweisbarkeit der Giftwirkung vor allem auf Honigbienen und Hummeln ist durch das Ruhen der Zulassung erst mal ein Teilerfolg für den Naturschutz zu verbuchen. Das Perfide an den Wirkstoffen: sie wirken in sehr geringen Dosierungen über lange Zeiträume,  die amtlichen Zulassungstests sind nicht dazu geeignet um Wirkungen nachzuweisen.
Die Neonicotinoide werden von verschiedenen Organisationen für das sogenannte „Bienensterben“ (englisch: Colony Collapse Disorder, CCD) verantwortlich gemacht, Imker und Wildbienenforscher laufen gegen diese Präparate seit vielen Jahren Sturm. In einer Studie der Harvard Universität aus dem Jahr 2012 wurde ein direkter Zusammenhang zwischen Imidacloprid und CCD feststellt. Dabei starben 15 von 16 der beobachteten Bienenvölker innerhalb von 23 Wochen, obwohl sie teilweise nur sehr geringen Giftmengen ausgesetzt waren. Was diese Substanzen mit solitär lebenden Wildbienen anstellen, die ja keinen wirtschaftlich meßbaren „Wert“ haben, kann nur vermutet werden: Wie das Gift in die Insekten kommt, ist auch noch nicht ganz klar: offenbar wird es aus gebeiztem Saatgut in die Pflanzen aufgenommen und wirkt dann über die Pollen und Nektar oder Pflanzensaft auf das Nervensystem der Bienen, und das in unvorstellbar geringen Konzentrationen.
Tatsache ist jedenfalls, dass bei der gesamten Gruppe der Aculeaten (Stechimmen – Bienen, Wespen, Ameisen) ein dramatischer Artenrückgang unübersehbar ist. Und die konventionelle Landwirtschaft nimmt das billigend in Kauf, das Befreien der Äcker vom Ungeziefer ist ja schließlich der Sinn der Sache. Spritzmittel sparen Zeit, Arbeitsgänge, Material und erhöhen den Gewinn des Einzelnen, der Rest ist egal.
„Betroffen“ vom Neonicotinoid-Verbot sind unter anderem auch die Kleingärtner, die zum Beispiel die beliebte „Lizetan“-Stäbchen aus dem Gartenmarkt gegen Schildläuse am Oleander einsetz(t)en. Viel wichtiger ist das Verbot jedoch in der Agarindustrie, die sich zuküftig etwas neues einfallen lassen muss, um die Raps- und Getreidefelder von ungeliebten Bewohnern zu befreien.
Für ein neues Nachdenken auf dem Acker wird es allerdings höchste Zeit! Auf die auch in unserer Region vorhandenen Agrarwüsten  verzichten die Naturschutzverbände und ihre Mitglieder jedenfalls sehr gerne!
Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ruht die Zulassung bei folgenden Präparaten:

Markenname Wirkstoff
COMPO Axoris Insekten-frei Spritz- und Gießmittel Thiamethoxam
COMPO Axoris Insekten-frei Konzentrat Thiamethoxam
COMPO Axoris Insekten-frei AF Abamectin + Thiamethoxam
COMPO Axoris Zierpflanzen-Spray Abamectin + Thiamethoxam
COMPO Axoris Insekten-frei für Orchideen Abamectin + Thiamethoxam
Bayer Garten 3 in 1 Schädlingsfrei Imidacloprid
Bayer Garten 3 in 1 Schädlingsfrei Lizetan Imidacloprid
Lizetan-Combistäbchen Imidacloprid
Bayer Garten Combistäbchen Imidacloprid
Bayer Garten Combistäbchen Lizetan neu Imidacloprid
Lizetan Plus Zierpflanzenspray Imidacloprid + Methiocarb
Provado Gartenspray Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Spinnmilbenspray Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Zierpflanzenspray Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Gartenspray Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Rosen Schädlingsspray Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Zierpflanzenspray Lizetan Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Rosen-Schädlingsspray Provado Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Gartenspray Provado Imidacloprid + Methiocarb
Bayer Garten Combigranulat Lizetan Imidacloprid
Bayer Garten Combigranulat Imidacloprid
CRUISER OSR Fludioxonil + Metalaxyl-M + Thiamethoxam
COMPO Axoris Insekten-frei Quick-Granulat Thiamethoxam
COMPO Axoris Insekten-frei Quick-Sticks Thiamethoxam