Atomstrom …

Ein Briefwechsel

Ulrich Hallier

Bei meiner Kiebitz-Sonntagslektüre 2/09 fiel mir auf, dass die Geschichte mit dem Atomstrom sich nicht nur in eine Überschrift packen lässt. Ich hatte bei und nach meinem Wechsel zu EWS-Schönau so meine Bedenken hinsichtlich Strom-Umetikettierung und habe deswegen mit EWS korrespondiert. Fazit: Man darf wohl nicht sagen, man beziehe keinen Atomstrom, denn das geht leider nicht. Aber man kann durch seinen Strombezug gezielt die Erzeuger oder Stromhändler unterstützen, die ihren Profit dafür einsetzen, dass die alternative Stromerzeugung gefördert wird, d.h. dass die Ökostrom-Erzeugung zunimmt.

Die Frage an EWS 

Ich habe im vorletzten Jahr den Wechsel zu EWS als Stromlieferant vollzogen, weil ich durch die Lieferanten-Wahl etwas für Ökologie und Nachhaltigkeit tun möchte. Ich mache, da ich einen guten Eindruck von EWS und ihrem Hintergrund habe, gerne Reklame für diesen Wechsel. Ihre Kundeninformation im Dez. 08 war dafür eine gute Grundlage, besten Dank!

Eine Frage, auf die ich im Gespräch immer wieder stoße, hätte ich jedoch gerne etwas genauer beantwortet:

Es ist ja bekannt, dass Atomstrom gerne durch Tausch-Aktionen mit ökologischen Erzeugern (z.B. Wasserkraft in Norwegen) sozusagen auf dem Papier in ökologischen Strom umgewandelt wird, dass dadurch aber natürlich kein Kilowatt alternativ erzeugten Stroms zusätzlich durch die Leitung fließt. Diese Frage wird auch auf Ihrer Website nicht eindeutig beantwortet. So kann ich bisher nur damit argumentieren, dass der wirtschaftliche Ertrag der EWS in die Förderung neuer umweltfreundlicher Anlagen fließt. Ich hätte gerne etwas präzisere Auskunft, mit welchen Argumenten ich kritische potentielle Bezugs-Wechsler über die Strom-Herkunft von EWS überzeugen könnte.

Die Antwort

Die Mär, dass Norwegen billigen Atomstrom einführt, geistert immer mal wieder herum. Dabei ist Norwegen ein Nettoexporteur, d.h. es kann aufgrund einer größeren Produktionskapazität als dem inländischen Verbrauch in der Regel mehr exportieren als importieren.

In Österreich hingegen, wo viele Ökostromhändler ihren Strom kaufen, ist die Strombilanz gerade umgedreht: Österreich erzeugt schon seit Jahren nicht mehr als die Österreicher selbst verbrauchen und importiert seit Jahren genauso viel oder mehr Strom als exportiert wird. In der Schweiz hingegen sind fast alle Wasserkraftwerkbetreiber mit der Atomwirtschaft verflochten, das ist für uns ein Ausschlusskriterium.

Wir haben uns bei unserm Stromeinkauf für Norwegen entschieden, weil wir hier Kraftwerke finden, deren Betreiber nicht mit der Atomindustrie verflochten sind. Außerdem hat Norwegen noch ein sehr großes Ausbaupotential an Erneuerbaren Energien (Wind und Wasser) und erzeugt 99 % seines Stroms aus Erneuerbaren Energien, mehr als jedes andere Land in Europa.

Die mit uns vertraglich verbundenen Betreiber der Wasserkraftanlagen in Norwegen investieren außerdem nachweislich im Jahr 2008, spätestens jedoch innerhalb von drei Jahren, in größerem Umfang erneut in den Ausbau regenerativer Stromerzeugung. Über unser Sonnencent Förderprogramm unterstützen wir den Ausbau regenerativer Stromerzeugung in Deutschland. Über die Qualität eines Ökostromangebotes entscheidet in erster Linie, wie viel Strom aus neuen Anlagen dadurch entsteht.

Nachgehakt

Haben Sie besten Dank für Ihre Antwort auf meine Anfrage. Diese hatte jedoch eine etwas andere Fragestellung: Immer wieder wird den Anbietern ökologischen, d.h. alternativ erzeugten Stroms unterstellt, sie tauschten „auf dem Papier(!)“ mit Erzeugern dieses alternativ erzeugten Stroms deren Strom gegen Atomstrom, gleichsam nur per Umbuchung. Den Norwegern sei es egal, so wird weiter argumentiert, ob der von ihnen angebotene Strom dadurch – auch wieder „auf dem Papier“ – zu einem „Gemisch“ beider „Stromarten“ werde; die Anbieter ökologisch erzeugten Stroms gewönnen dadurch jedoch den Vorteil, ausschließlich ökologisch gewonnenen Strom anbieten zu können, obgleich es sich ja im Grunde nur um eine Umetikettierung handle – der im Strom-Verbundnetz gelieferte Strom, der ja zwangsläufig ein „Gemisch“ von Strom beider Erzeugungsarten darstellt, enthielte dadurch jedoch kein Kilowatt mehr ökologisch erzeugte Elektrizität.

Wie lässt sich gegen diese Unterstellung argumentieren?

Klarstellung von EWS

Im Grunde stimmt es natürlich – und da ist es ganz egal, ob man seinen Öko-Strom aus Norwegen, Österreich oder Deutschland bekommt -, dass solange durch den Ökostromverkauf keine Neuanlagen entstehen, es zunächst immer nur eine Umverteilung ist. Denn der Ökostrom wurde ja vorher auch schon verkauft, nur eben nicht explizit an Ökostromkunden, sondern im Mix an alle Kunden. Nun wird der Ökostrom separiert an Ökostromkunden verkauft und die anderen Kunden erhalten dementsprechend mehr – wie man so schön sagt – Egalstrom. Das ist mehr oder weniger immer so, und der Effekt ist auch derselbe, auch wenn man den Strom nicht direkt tauscht, wie in Ihrem Beispiel. Daher gab es ja auch im Jahr 2008 von den Umweltverbänden usw. viele Proteste gegen Stadtwerke z.B., die auf einmal ihre ganzen Tarifkunden auf Ökostrom umgestellt haben, aber nichts weiter gemacht haben, als billig Ökostrom aus alten Anlagen zu kaufen und nicht für den Neubau zu sorgen.

Die Qualität eines Ökostromangebotes hängt daher erstens davon ab, wie viel Neuanlagen durch das Ökostromangebot entstehen, siehe hierzu unser letztes Mail. Zweitens ist unserer Meinung nach wichtig, dass die Anlagenbetreiber nicht mit der Atomwirtschaft verflochten sind, ein Kriterium, das aber von den gängigen Labeln nicht gefordert wird (weil es dann zu wenig Lieferanten gäbe, die das Label gebrauchen könnten). Uns ist neben dem Neuanlagenbau diese politische Aussage sehr wichtig, denn man kann durch den Stromwechsel seinem bisherigen Versorger auch sagen, dass man mit seiner Unternehmenspolitik nicht einverstanden ist.

Anmerkung (Frank Wolfermann)

Als ich vor ein paar Jahren mit dem 100. Kiebitz die Kiebitz-Produktion einstellte, gab es wohl kaum ein Thema, das noch nicht im Kiebitz behandelt wurde. Dies war auch ein (wesentlicher) Grund für die Einstellung und jetzt ein weiterer Grund, in den alten Kiebitzen zu blättern. Und was beschäftigt uns derzeit ganz stark? Richtig, die Energie! Und deshalb habe ich den Artikel von Ulrich Hallier (leider im vergangenen Jahr gestorben). aus dem Jahr 2009 ausgesucht.

Übrigens falls Sie mit EWS nichts anfangen können, empfehle ich Ihnen die Homepage: https://www.ews-schoenau.de. Auch Sie können dort Kunde werden!