Haan, kopflos

Bevor sich alle vollends der weihnachtseligen Gefühlsduselei hingeben, hier mal noch eben eine kleine Kleinstadt-Geschichte, die von Planlosigkeit, fehlender Glaubwürdigkeit und leeren Geldbeuteln handelt, und die – ich versprech´s – nur ganz ganz leicht angepitzt erzählt wird.
Es war einmal eine Grundschule in Unterhaan, die hieß „Bachstraßen-Schule“, und die war ganz prima und bei den Leuten in der Umgebung sehr beliebt. Da gabs Wohngebiete voller Kinder direkt nebendran, eine tolle Kindertagesstätte mit anständigem pädagogischen Konzept direkt drüber, einen Wald zum Spielen, Sportplatz und Kaufladen in Laufweite, und der Schulbetrieb lief fast von selbst, auch wenn es jahrelang keinen Schulleiter gab. Die Bachstraßen-Schule war ein schönes Beispiel für hohe Wohnqualität, mit kurzen, sicheren Wegen für die Kinder, und hohem Engagement der Eltern.
Aber eines Tages stellte die ach so stolze Stadt Haan plötzlich erschrocken fest, das ihre öffentlichen Gebäude seit Jahrzehnten vergammelten. Das war nicht weiter erstaunlich, hatte doch seit Urzeiten niemand Geld in die Hand genommen, und so war die Musikschule schimmelig, die Grundschule Diekerstraße eine Ruine, im Gymnasium Adlerstraße und am Bollenberg gab´s das giftige PCB, und an der Bachstraße lief die Heizung auch schon mal im Juli, und in den Klassenzimmern standen Plastikschüsseln, wenns mal wieder reinregnete.
Und so wurde den Eltern verkündet: „Schult Eure Kinder ruhig noch ein, wir machen die Schule erst zu wenn die laufenden Jahrgänge fertig sind.“ Nun waren die braven Unterhaaner Eltern damals noch so doof, dem Stadtkämmerer etwas zu glauben. Und es war kein Jahr vergangen, da tönte es aus dem Rathaus: „Kasse völlig leer, Schule deshalb früher zu, alles wird am Standort Steinkulle zusammengefasst, und dort wird alles noch viel schöner“. Im Schwäbischen gibts dafür einen oft zitierten Mundart-Ausdruck, der da lautet: „Was goht mi mei saudomms Gschwätz von geschtdern ooh?.“ Zu allem Überfluss gab es auch noch die Zustimmung der Schulpflegschaft für die Schließung der Bachstraßen-Schule.
Pläne für die Folgenutzung gabs auch schon, Abriss und stattdessen neue Wohnungen, das geht in Haan eigentlich immer. Bis auf weiteres sollte dort die Paul-Maar-Schule hinziehen, das konnte man noch halbwegs akzeptieren. Wurden doch bislang die lernschwachen Kinder aus dem Kreis zur Horster Allee nach Hilden gefahren, und dort an der Stadtgrenze zu Düsseldorf – naja, überspitzt gesagt – im Wald versteckt. Und ausserdem hätte so der Kreis Mettmann die fällige Sanierung der Bachstraße bezahlen sollen.
Und ehe man sich recht versah war die Bachstraßenschule dichtgemacht, und an der Steinkulle wurde für etwa 170.000 Euro zwei Schulcontainer außerhalb des eigentlichen Geländes hingesetzt. Das Ganze wurde auch noch als „Aufwertung des Standortes“ verkauft, wer die Einrichtungen anschaut, hat eher den Verdacht der „verdichteten Bodenhaltung“.
Ich empfehle einen Besuch am Freitag mittag um die Mittagszeit. Aber bitte zu Fuß, denn dort herrscht Park-und-Abhol-Chaos. Denn das mit den kurzen Wegen ist natürlich auch vorbei, jedenfalls für alle Unterhaaner Grundschüler auf der ehemaligen „Bachstraßen-Seite“.
In der Bachstraße herrschte derweil keine Ruhe, der Kreis hatte es sich mittlerweile anders überlegt mit der Sanierung, der Schulhof war leer, das Gebäude ebenfalls. Aber nicht lange, dann füllte sich das ehemalige Schulgebäude, und mitten in der braven Wohnsiedlung entstand, nein, keineteuren neuen Wohnungen, sondern ein Flüchtlingslager für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien.