Kopfweiden und -eschen am Sandbach

Kopfweidenpflege am Sandbach, 26. Februar 2011 (Foto: A. Kutter)
Kopfweidenpflege am Sandbach, 26. Februar 2011 (Foto: A. Kutter)

Hier ein kleiner Nachtrag zur tollen Kopfweidenaktion am Sandbach in Hilden. Jedes Jahr legen wir bei der Kopfbaumpflege die Säge an die Bäume, und jedes Jahr kommt wieder der eine oder andere und sagt „Oohhh, wie könnt Ihr nur, der schöne Baum…“ oder so ähnlich. Und selbst eingefleischte Naturschutzhasen finden das dann überhaupt nicht mehr so lustig, vor allem beim ersten Mal, wenn ein schöner gesunder Baum innerhalb von wenigen Sekunden amputiert wird. Was auf noch größeres Unverständnis stößt ist, wenn es sich noch nicht mal um eine Weide handelt, sondern um andere Baumarten. Deshalb hier noch mal ein paar Erläuterungen zu den verschiedenen Kopfbäumen, und ein paar allgemeine Bemerkungen.
Weide – Salix spec.
„Der“ Kopfbaum überhaupt, die leicht anwachsenden Stecklinge der Weiden wurden früher als lebender Zaunpfostenersatz genutzt, Zweige und Laub im SOMMER als Viehfutter geschnitten (deshalb gibt es in rechtlich auch keine „Sommerpause“ für Kopfweidenschnitt, man könnte rein theoretisch auch im Juni schneiden). In der früher weit verbreiteten Kleintierhaltung war die Weide ein wichtiges Zusatzfutter, Kaninchen, Ziegen, Schafe und Rinder schälen mit Begeisterung Weidenzweige. Das darin enthaltene Salicin (vom lateinischen Namen Salix – Weide) ist das natürlich vorkommende „Freiland-Aspirin“. Kopfweiden wurden wie alle Kopfbäume so geschnitten dass das Vieh nicht ans Laub kam, und der Bauer mit der Stehleiter und Handsäge ohne Gefahr „schneiteln“ konnte. Eine Kopfweide von 50 Jahren Alter ist schon ein Greis, das angeschnittene weiche Holz fault rasch und wird von Pilzen und Insekten abgebaut. Es entstehen Bohrgänge, Höhlen und in der Zerfallsphase steht von den Bäumen oft nur noch die äußere Hülle. Große ungeschnittene Kopfweiden brechen leicht auseinander, die Weidenhöhlen haben eine relativ kurze Lebensdauer.
Auseinander gebrochene Kopfweiden, Erkrath-Bruchhausen, 26. Februar 2011 (Foto: Armin Dahl)
Auseinander gebrochene Kopfweiden, Erkrath-Bruchhausen, 26. Februar 2011 (Foto: Armin Dahl)

Ein Sonderfall ist die Salweide Salix caprea, erkennbar vor allem an den runden Blättern und dem ledrigen, rauhen Laub. Sie wächst auf Rohböden und Schutthalden und ist als Pionierpflanze ein Zeiger für vordringenden Wald. Aus Salweiden kann man keine „ordentlichen“ Kopfweiden machen, sie treiben nur schwach und gehen nach dem Schnitt oft ein.
Esche – Fraxinus excelsior
Junge Kopf-Esche, Erkrath-Bruchhausen, 5. März 2011 (Foto: Armin Dahl)
Junge Kopf-Esche, Erkrath-Bruchhausen, 5. März 2011 (Foto: Armin Dahl)

Die Esche wurde in früheren Zeiten regelmäßig als Kopfbaum gepflegt, sie macht nach dem Schnitt schöne gerade lange Jahrestriebe, die als Werkzeugstiele unverzichtbar waren. Auch heute noch besteht der Stiel einer guten Maurerschippe praktisch immer aus Eschenholz. Das Eschenholz ist relativ hart und zäh und wird nicht leicht von Pilzen angegriffen, es dauert deshalb eine Weile bis aus einer Kopf-Esche ein guter Höhlenbaum geworden ist. Aber der Baum kann insgesamt gigantische Ausmaße annehmen und unter Umständen mehrere Jahrhunderte stehen,  wie zum Beispiel die fünf Bäume am  Naturdenkmal am Hof Leuchtenberg in Düsseldorf-Lohausen.
Rotbuche – Fagus silvatica
Auch die Buche lässt sich zum Kopfbaum machen, allerdings ist das ein bischen heikel weil der Baum das köpfen nicht verträgt und oft nur unwillig ausschlägt. Besonders schöne Exemplare der Kopfbuchen stehen im Kottenforst bei Bonn
Eiche, Stieleiche, Traubeneiche – Quercus robur / Quercus petraea
Auch der Baum der Deutschen lässt sich zum Kopfbaum machen, allerdings dauert das eine Weile, Eichen wachsen langsam, haben dazu extrem hartes Holz. Die historische Nutzung der sogenannten „Lohhecken“ oder „Hauberge“ sieht folgendermaßen aus: Die Eichen werden alle 15-30 Jahre geschnitten, und zwar im Juni, kurz nach dem Laubaustrieb. Und zwar in Kniehöhe, damit der Baum noch im gleichen Jahr wieder ausschlägt. Der Zeitpunkt ist wichtig, nur in einem kurzen Zeitraum kann man die zum Gerben benötigte Eichenrinde vom Holz schälen, übrigens genauso wie bei der Korkeiche in Südeuropa. An der Mosel wurden im letzten Jahrhundert die Eichen-Schälwälder an die Bauern abschnittsweise als Flächenlose verkauft, der Bauer bekam das Brennholz, der Waldbesitzer die Rinde. Der dabei entstehende Niederwald ist sozusagen die Mutter aller Biotope, ein sonnendurchfluteter, blütenreicher Stockausschlagswald, mit zahlreichen spezialisierten oder wärmeliebenden Tierarten, z.B. dem Haselhuhn.
Unvorstellbare 445.000 ha Lohhecken gab es zur Hochzeit der Lohegewinnung um 1880, davon lag ein großer Teil im Rheinischen Schiefergebirge. 4500 Quadrakilometer regelmäßig auf den Stock gesetzter Niederwald, das ist die 50.000-fache Fläche der Grube 7! Derartige Flächen gibt es heutzutage praktisch nur noch auf Leitungstrassen unter Stromleitungen.
Auch als Alleebaum mit regelmäßigem Schnitt ist die Eiche verwendet worden. Eine berühmte Kopfeichenallee ist das von der Biologischen Station Zwillbrock betreute Kulturdenkmal „Kloppendiek“ an der holländischen Grenze nördlich von Borken.
Kopfbaumpflege – aber richtig
Aus der heutigen Sicht geht es bei der Kopfbaumpflege um völlig verschiedene Dinge.
Da ist zum einen der landschaftsästhetische Aspekt, freistehende Kopfbäume mit größeren Abständen werden mit ihrer parkartigen Struktur als „schön“ empfunden. Das funktioniert allerdings nur in Offenlandschaften, die schönsten Kopfweidenbestände in unserer Region am Niederrhein haben sehr große Baumabstände von oft mehreren hundert Metern.
Wichtiger als die reine Optik ist der ökologische Wert der Kopfbäume, hier wird durch den gezielten Schnitt der Alterungsprozess des Baums künstlich beschleunigt, indem man über die Schnittstellen Eintrittspforten für allerlei Pilze, Insekten, Vögel anderes Getier schafft. Je mehr Kleinlebensräume und verschiedene Standortbedingungen, desto besser, und je älter der Baum, desto länger die Tradition der Besiedlung. Höhlenbewohner sind konservativ, bekanntestes Beispiel sind jahrzehntelange Höhlen-Traditionen bei Fledermäusen oder extrem seltenen Käferarten wie dem Eremit oder Juchtenkäfer, auch bekannt als „Stuttgart-21-Käfer“. Und deshalb ist eine Kopf-Esche, oder -Eiche als Lebensraum auf lange Sicht deutlich besser als eine Kopfweide.  Und außerdem wächst sie langsamer und macht in der Praxis deutlich weniger Arbeit als die schnellwachsenden Weiden.
À propos Arbeit: Bei allen Kopfbaumaktionen muss natürlich neben dem üblichen netten Freiland-Treiben der  Aktivisten  die Optimierung des Lebensraums im Vordergrund stehen. Deshalb hier noch mal die häufigsten Fehler bei der Kopfbaumpflege.
Nicht zu viel auf einmal
Erste Regel bei allen Pflegeaktionen ist wie immer: NIE ALLES AUF EINMAL!  Bei Kopfbäumen gibt es eine aus dem Schmetterlingsschutz abgeleitete Regel, die da heißt: „Jedes zweite Jahr jeder dritte Baum“. Warum? Weil man wichtige Entwicklungsstadien der Schmetterlinge (Raupen und Eier) immer mit heruntersägt, und damit die Populationen der entsprechenden Arten ausfallen. Schneidet man immer nur 15 Prozent eines Bestandes an einem Ort, ist die Gefahr sehr viel geringer, dass durch die Aktion lokale Vorkommen einzelner Arten ausgerottet werden. Das gilt für die anderen Kleinviecher (Käfer, Wanzen, Zweiflügler u.v.a.) natürlich genauso wie für die Schmetterlinge
Falsch: komplett abrasierte Kopfweidenallee in Erkrath-Bruchhausen, 5.3.2011 (Foto: Armin Dahl)
Falsch: komplett abrasierte Kopfweidenallee in Erkrath-Bruchhausen, 5.3.2011 (Foto: Armin Dahl)

Pflegen, nicht putzen!
Beim Kopfweidenschnitt gehts weniger darum den Baum „sauber“ zurückzulassen, sondern vielmehr möglichst viele Kleinlebensräume und Bewohner auf dem Baum zu belassen. Totes Altholz sollte nach Möglichkeit am Baum verbleiben, das gilt nicht nur für Äste, sondern auch für dünne, trockene Zweige und die Aststummel von der letzten Pflege
Pflanzmaterial mischen!
Ein einfacher Trick um den biologischen Wert einer Kopfweidengruppe zur erhöhen muss schon bei der Anlage berücksichtigt werden: Nach Möglichkeit sollte man Stecklinge von verschiedenen Standorten und unterschiedlichen Weidenarten nehmen! Das verlängert die Blütezeit der Weiden insgesamt und bietet dadurch Nektar- und Pollenangebot über einen längeren Zeitraum, und ausserdem den verschiuedenen „Geschmäckern“ in der Tierwelt einen reicher gedeckten Tisch. Schmal- und breitblätterige Weidenarten haben oft komplett unterschiedliche Bewohner, so ein Insekt frisst ja nicht alles was grün ist, sondern ist sehr wählerisch. Eine Weidengruppe aus unterschiedlichen Arten erhöht die Vielfalt ganz erheblich!
Zeitungsartikel zur Aktion: Hilden: Kopfweiden wurden gestutzt (RP ONLINE, 28.02.2011)